Wie wir Glück verstehen – und warum es mehr ist als ein flüchtiger Moment
„Vati, was ist denn eigentlich die Liebe?“, will Hurvìnek von seinem Vater Spejbl wissen. „Schwer zu sagen, Hurvìnek, schwer zu sagen. Du würdest es sowieso nicht begreifen!“, entgegnet ihm dieser.
So wie die rund einhundert Jahre alten tschechischen Puppenfiguren fragen auch wir uns immer wieder, was Phänomene wie Liebe und Glück im Kern bedeuten. Und anders als das Puppen-Duo, das Gefühle eben nicht empfinden kann, sind wir Menschen dazu in der Lage! Zum Glück! 🍀🍄😉

Aber was ist Glück nun eigentlich und welche Gelegenheiten zu mehr Glück können wir be- und ergreifen? Auch viele meiner Klientinnen und Klienten wollen herausfinden, was genau Glück für sie bedeutet. Sie fragen sich, wie sie mehr Glück in ihrem Alltag empfinden können und ob es einen Unterschied gibt zwischen dem intensiv empfunden, manchmal flüchtigen Glück und langfristiger, tief empfundener Zufriedenheit.
Was passiert im Körper, wenn wir glücklich sind?
Hier ein paar Fakten zum Thema:
- Aus neurobiologischer Perspektive entsteht ein Glücksgefühl, wenn im Mittelhirn Opioide wie zum Beispiel Endorphine ausgeschüttet werden.1 Sie bewirken einen rauschartigen Zustand, den wir als Glück wahrnehmen.
- Ausgeschüttet wird der Glückscocktail dann, wenn wir einen inkohärenten in einen kohärenten Zustand verwandeln, das heißt, wenn wir unser Denken, Fühlen und Handeln in Einklang bringen und eine für uns schwierige Situation bewältigen. Unser Gehirn strebt diesen Zustand fortlaufend an, da in ihm der Energieverbrauch am niedrigsten ist. 2
- Besonders wichtig ist hierbei unsere Fähigkeit, das Glück selbst „zu erzeugen“, indem wir, wie Hüther es beschreibt, den kohärenten, positiven Zustand durch eigene Anstrengung herbeiführen. Wir befriedigen damit unser Grundbedürfnis nach Selbstwirksamkeit.3
- Aber: Je öfter wir die Belohnung erhalten, desto schneller flachen die Dopaminkurven ab – der Glücksrausch wird öde und wir müssen uns immer wieder etwas Neues einfallen lassen.
1 Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth, Institut für Hirnforschung, Universität Bremen.
2 Prof. Dr. Gerald Hüther, Siegeszug der Emotionen – Erfolgreich in die intensivste Wirtschaft aller Zeiten, 2018.
3 Abraham Harold Maslow, 1954.
Wie können wir langfristig glücklich, also zufrieden werden?
Aaron Antonovsky fand heraus, dass dieses Gefühl eintritt, wenn wir:
- Zusammenhänge verstehen, beispielsweise in herausfordernden Situationen oder in unserem Leben allgemein,
- die Überzeugung und die Kompetenz haben, das eigene Leben gestalten und an uns gestellte Herausforderungen handhaben zu können und
- einen Sinn gefunden haben in dem, was wir tun und wie wir leben.
Diese drei Komponenten machen das sogenannte Kohärenzgefühl aus,4 das sich durch wiederholte Überwindung schwieriger Situationen und unsere Auseinandersetzung damit selbst nährt.
Menschen mit einem starken Kohärenzgefühl zeigen weniger Anzeichen für Depressionen oder Burn-out, fühlen sich weniger gestresst,5 haben nachhaltig Freude am Leben und Lust, sich weiterzuentwickeln.6
4Aaron Antonovsky, 1997
5Bengel & Lyssenko, 2012
6Prof. Dr. Gerald Hüther, Siegeszug der Emotionen – Erfolgreich in die intensivste Wirtschaft aller Zeiten, 2018.
Wie können wir dieses Kohärenzgefühl erreichen und stärken? Hier drei Happy Hacks:
Hilfreich kann es zum einen sein, ein übergeordnetes Ziel, ein Anliegen für sich selbst zu definieren.7 Dieser „Nordstern“ gibt Orientierung und setzt kurzfristige Ziele in einen größeren Zusammenhang.
Zum anderen können wir unser Kohärenzgefühl aktiv selbst stärken, indem wir uns hilfreiche Fragen stellen und so unsere Ressourcen in unserem Leben aktivieren:8
1. Was hilft mir dabei, mein Leben als verstehbar, handhabbar und sinnhaft zu betrachten?
2. Was konkret hat mir in einer herausfordernden Situation geholfen, sie zu bewältigen? Was kann ich daraus für die Zukunft lernen?
3. Welche Tätigkeit, welche Menschen und welche Ressourcen stärken mein Kohärenzgefühl und was ist eher hinderlich?
Und da im Leben nicht alles glatt geht und wir Schwierigkeiten und Krisen niemals vollständig vermeiden werden, können wir versuchen, solche Situationen in eine Chance umzudeuten – eine Chance, aus eigener Kraft heraus einen kohärenteren Zustand selbst herzustellen, Glück zu empfinden und dadurch ganz nebenbei auch unsere Fähigkeit zu mehr Glück & Zufriedenheit zu stärken.
7 Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth, Institut für Hirnforschung, Universität Bremen.
8 In Anlehnung an Dr. Dorle Weyers.